“Communication”, nach dem Electric-Music-Projekt
(“Esperanto”, “Electric Music”) der erste
Longplayer von Karl Bartos unter eigenem Namen, funktioniert in etwa
nach dem Prinzip der Camera Obscura: Durch ein kleines Loch dringt das
Licht der Welt in den dunklen Raum und zeichnet an der Wand ein Bild.
Eins, das auf dem Kopf steht. Und das man doch ganz klar sieht.
Karl Bartos weiß um seine Geschichte und schreibt sie mit
modernen Mitteln fort. 80ies-Soundscapes mit modernen Beats und Loops.
Catchy Melodien, die er – geschult an Kontrapunkt und den
Feinheiten der Harmonielehre – motivisch verarbeitet. Call it
Electro – B. B. King / anything. Und immer geht es um: den Song.
Es ist fast wie bei der Erfindung der Polaroid: Karl Bartos‘ Werk
lehrt das Staunen. Schwer zu sagen, wo die Welt aufhört und die
“Communication” mit ihr beginnt. Die Musik fängt die
Welt mühelos ein. Und verleiht der Innenwelt Ausdruck. Alles
funktioniert so selbstverständlich, dass die Platte Teil von einem
selbst wird. Man drückt die “Play”-Taste. Schon
ist’s da. Dann ist man die Musik, und die Musik ist man selbst.
Je älter Kraftwerk werden, desto spärlicher werden ihre
Veröffentlichungen (zuletzt Tour de France Soundtracks). Scheinbar
haben die einstigen Pioniere der elektronischen Musik etwas Angst, sich
vor ihrer Vielzahl genialer Schüler zu blamieren. Karl Bartos, ein
ehemaliges Mitglied der Düsseldorfer Gruppe, scheint keine
Berührungsängste mit einem sich rasant entwickelnden Genre zu
kennen. Genauso wenig hat er Probleme, die Vergangenheit auf- und
einzuarbeiten. Der ausgebildete Schlagzeuger gründete nach seinem
Ausstieg bei Kraftwerk das Projekt Electric Music, arbeitete mit
Anthony Rother, Bernard Sumner (New Order), Johnny Marr (ehemals The
Smiths) oder Andy McClusky (OMD).
Für sein Solo-Album Communication nahm Bartos sich zwei Jahre
Zeit, komponierte 16 Tracks, von denen sich zehn hier wieder finden.
Thematisch behandelt es die Medienwelt zwischen Gewinnspielen und
Gewalt, zwischen dem Medientheoretiker Neil Postman (Wir amüsieren
uns zu Tode) und Andy Warhol -- der Titel des vorab schon als Single
veröffentlichten Tracks 15 Minutes Of Fame drückt das
deutlich aus. Musikalisch lehnt sich Bartos weit aus dem Fenster. Immer
wieder greift er Kraftwerk-Themen auf. Das darf er, immerhin stammen
Welthits wie "Die Roboter", "Das Model" oder "Tour de France" auch aus
seiner digitalen Feder. So tanzen in "The Camera" Roboterteile zu
Dancefloor-Beats. In "I'm The Message" versteckt sich das "Model"-Thema
elegant in Elektroniktüchern.
Nach diesen zwei guten Stücken klaut Bartos hemmungslos bei New
Order und schon ist "15 Minutes Of Fame" fertig. Naja. "Electronic
Apeman" hätten Tangerine Dream auch nicht schlimmer hinbekommen
können und bei "Life" schauen schon wieder New Order um die Ecke.
So schlängeln sich die offenen Zitate und eine
gewöhnungsbedürftige Vocoder-Stimme wie ein roter, aus
unterschiedlichsten Materialien gesponnener Faden durch Kombination aus
Kraftwerk, 80er-Jahre-Sounds und Moderne, bis Communication am Ende als
ein recht wirres Knäuel übrig bleibt.