Den allermeisten wird Karl Bartos wohl nur aufgrund seiner
Zugehörigkeit zu Kraftwerk ein Begriff sein. In der 'klassischen'
Besetzung mit Ralf Hütter, Florian Schneider und Wolfgang
Flür ist er für die Rhythmen zuständig und an vielen der
größten Hits der Düsseldorfer maßgeblich
beteiligt. Mit seinem musikalischen Input prägt er den Mythos der
Mensch-Maschinen entscheidend mit. Auf "Die Mensch Maschine", "Computer
Welt" und "Electric Cafe" hat er bei sämtlichen Songs seine Finger
im Spiel. Das schließt Kracher wie "Die Roboter", "Das Modell",
"Die Mensch Maschine", "Taschenrechner", "Computerwelt", "Musique Non
Stop" und "Tour De France" ein.
Dem Song "Der Telefon-Anruf" von 1986 leiht Bartos sogar seine Stimme.
Somit ist dieses Lied das einzige, bei dem nicht Ralf Hütter
hinter dem Mikro steht. Doch wenn für viele Musiker beim Ausstieg
aus solch einer bedeutenden Band meist das Karriereende bedeutet, so
beginnt sie bei Karl Bartos erst richtig nachdem er das Kling Klang-Studio 1991 hinter sich lässt.
Bartos kommt am 31.05.1952 in Berchtesgaden zur Welt. Mit vierzehn
reift im Jungen Karl der Wunsch, die Musik zu seinem Lebensinhalt zu
machen, nachdem er zu Beginn der Sechziger in der Düsseldorfer
Altstadt den Skiffle-Bands beim Spielen zusieht. Der Antrieb, Musiker
werden zu wollen, gründet sich jedoch nicht auf einem ideellen
Beweggrund, sondern darauf, dass die Musiker immer die hübschesten
Mädels abbekommen, und das gefällt Bartos doch ungemein. Also
gründet er mit ein paar Kumpels 1968 die Anthony String Group und
tingelt durch die Clubs der britischen Soldaten. Der zukünftige
Zweite von links ist ein Kind der Beat-Generation. Wie die meisten
jungen Leuten dieser Zeit erliegt auch Karl der Magie der Beatles. Zwei
Jahre später geht er von der Schule ab und studiert von 1970 bis
1976 an am Robert Schumann Institut in Düsseldorf Klavier,
Vibraphon und im Hauptfach Schlagzeug.
Nebenbei spielt er in der Formation Sinus. Bei dieser Rockgruppe ist er
Bandkollege von Bodo Staiger, der später bei Rheingold die Gitarre
zupft, und einem gewissen Marius Müller-Westernhagen, Anfang der
Achtziger die Karriereleiter hoch purzelt. Während Bartos
klassisch vor sich hin musiziert, erhält sein Dozent irgendwann
einen Anruf von zwei Herren namens Ralf Hütter und Florian
Schneider, die dringend einen Schlagzeuger für die bevorstehende
Tour im Anschluss an die Veröffentlichung von Kraftwerks
"Autobahn" benötigen.
Karl Bartos sagt zu, und so beginnt sein Leben zwischen Kling
Klang-Studio und den Bühnen dieser Welt. Nach "The Mix" macht er
es Wolfgang Flür nach und steigt aus der Band aus, um sich seiner
eigenen Musik zu widmen. Um etwas Abstand von der Kraftwerk-Zeit zu
bekommen, zieht er nach Manchester, wo er mit dem
Gründungsmitglied der Smiths, Johnny Marr, die Gitarren rauchen
lässt.
Endlich kann Bartos Kollaborationen eingehen und ausleben, nachdem zu
seiner Kraftwerk-Zeit die prominentesten und bedeutendsten Musiker
(u.a. David Bowie, Michael Jackson) bei den Düsseldorfern wegen
einer Zusammenarbeit anklopfen und sich in schöner
Regelmäßigkeit Abfuhren abholen. 1992 gründet er sein
eigenes Projekt Electric Music und mit dem Sampler-Beitrag "What Would
I Be Without IBM" und "To Be Free" für die Platte "Peace &
Love Inc." gibt er sein Solodebüt, von Remixen für Africa
Bambaataa und einer Coverversion des Equals-Klassikers "Baby Come Back"
einmal abgesehen. Electric Music reift langsam aber sicher. Drei
weitere Singles ("Crosstalk", "TV" und "Lifestyle") erscheinen, bevor
dann 1993 mit "Esperanto" das Solo-Debüt in den Läden steht.
Zusammen mit Bernard Summer von New Order arbeiten er und Marr 1995 am
Projekt Electronic und dem Album "Raise The Pressure", für das er
bei insgesamt neun Titeln als Co-Autor fungiert. Auf der Insel ist das
Album recht erfolgreich und kann bis in die Top 10 vorstoßen. Im
Anschluss schreibt er für die Platte "Universal" von OMD auch noch
zwei Titel. In den Folgejahren macht er sich weiter einen Namen als
Solokünstler (Singles: "Sunshine", "Call On Me", "The Young Urban
Professional", "15 Minutes of Fame", "I'm The Message", Album:
"Electric Music"), Produzent ("The Mobile Homes" der gleichnamigen
Band, "Love & Violence" von Flatz), Remixer ("Little Computer
People" von Anthony Rother, "Return" von Deine Lakaien).
Zwischen all diesen Arbeiten findet Karl Bartos nach wie vor die Zeit,
live aufzutreten, wie 1999 beim Kickzone-Festival und 2000 im Rahmen
der Expo in Hannover. Das bereits für 2000 anvisierte
Album-Debüt unter seinem eigenen Namen lässt jedoch noch bis
2003 auf sich warten. "Communication" heißt es und zeigt Bartos
auf der Höhe der Zeit.