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B i o g r a p h y |
Der 1963 geborene Wahlwiener Franz Reisecker
ist seit langen Jahren einer der wenigen heimischen Musiker, die
konstant Musik auf hohem Niveau machen und veröffentlichen. Dabei
gelingt Reisecker das Kunststück sich nicht zu wiederholen und
dennoch eine unverkennbare Handschrift zu entwickeln. Zuletzt arbeitete
Franz Reisecker erfolgreich mit der Band Trio Exklusiv, die er
mittlerweile verlassen hat. Gönnt man sich die Zeit sich durch
seine Diskographie zu hören, könnten die einzelnen Stationen
– von den Proto-Indie-Rockern Occidental Blue Harmony Lovers
über die Band Mastalsky
bis zu seinem Wirken bei Projekten wie dem famosen Orchester 33 1/3 und
natürlich die Arbeiten unter seinem alter ego Lichtenberg –
für sich mitunter nicht unterschiedlicher, vermeintlich weiter von
einander entfernt sein. Dennoch machen sie die künstlerische (und
persönliche) Biographie des versierten Gitarristen und Musikers
greifbar. Die Biographie eines Musikers, der seine Ohren nicht in den
Wind der (Musik-)Welt hält, um das nächste große Ding
zu entdecken, sondern um seine Neugier zu befriedigen und aus dem
ganzen Input seinen eigenen Standort zu filtern und im eigenen Output
zu kanalisieren. „Dancing around the golden calf like a stranded
whale / the black sheep of the family said anger is an energy“
singt Franz Reisecker in „Stranded“ dem zweiten und aufs
erste vielleicht ohrenfälligsten Stück des neuen,
fünften Lichtenberg-Albums „Don´t Let Them
Down“. Hebt der Titelsong und Album-Opener mit den schönen
Worten „Leaving the planet earth“ an, mit denen uns
Lichtenberg – von Franz Reisecker und seiner Kopfstimme wunderbar
zweistimmig gesungen – sanft aber effektiv in ein reiches
Sound-Universum hinaus- und hineinzieht, versichert uns
„Stranded“: bei dieser musikalischen Expedition bleibt das
menschliche Drama Reisebegleiter. Lichtenberg´s unaufgeregte,
fast phlegmatische Interpretation der von John Lydon/Johnny Rotten
geborgten Worte von der Wut, die Energie ist lädt sie mit neuer
Bedeutung auf, macht sie über juvenile Kraftmeierei hinaus nutzbar
und hilft vielleicht dorthin zu gelangen:„a new born heart
without a guarantee“. Wo der perfekte Lichtenberg-Pop von
„Stranded“ auch endet.
„Der Weisheit erster Schritt ist: alles anzuklagen, der letzte: sich mit allen zu vertragen.“
Das hat Georg Christoph Lichtenberg (1742 – 1799) formuliert, Experimentalphysiker und Erfinder des deutschen Aphorismus, jener erstaunlicher Mann von dem Franz Reisecker den Namen für sein ursprüngliches Solo-Projekt hat, mit dem er jetzt 2007 auf ein Jahrzehnt Musikschaffen zurückblicken kann. 10 Jahre Lichtenberg, die in „Don´t Let Them Down“ reflektiert werden und kreativ kulminieren. Für Reisecker spielen vermeintliche und eigentlich lächerliche Gegensätze oder Pole wie „elektronische“ oder mit „echten“ Instrumenten gespielte Musik längst keine Rolle mehr. „Mir ist egal welches Werkzeug, wenn es den Ton macht, den ich will.“
Im Zentrum der auf dem eigenem Label Schiff Ahoi Schallplatten veröffentlichten „Don´t Let Them Down“ stehen die Songs, 11 Stück, in über einjähriger Arbeit entstanden und teils von einem Dreamteam musikalischer Mit-ÜberzeugungstäterInnen gesungen und instrumental angereichert. Beim herrlichen, in einer eigenen Sprache betextetem „Yola“ besorgen das Agenda Lobkov, das Duo von Verena Brückner und Eva Jantschitsch (aka Gustav), die auf „The B - Pictures“ mit Markus Binder von Attwenger noch einmal auftauchen. „Das war eine Zusammenarbeit, die sich aus meinem Remix für das Attwenger-Album „Dog“ ergeben hat“ erzählt Franz Reisecker. Nicht nur Attwenger-Fans mag das Stück das Aha-Erlebnis bescheren Binder englisch vokalisieren und textlich collagieren zu hören, das Resultat ist ein herrlich otherworldly-trippiger Song von „outer-space flesheaters, time travellers und space preachers.“ Christof Kurzmann singt „Stubborn“ und Oliver Welter von Naked Lunch „Conny & Blyde“. Dessen Band-Kollege Herwig „Fuzzman“ Zamernik liefert bei zwei Liedern Backing/Chorus-Vocals, in seinem Klagenfurter Fuzzroom-Studio wurde zum Teil aufgenommen und gemischt. Damit endet der Naked Lunch-Connect noch nicht, Multi-Instrumentalist Stefan Deisenberger ist fixer Bestandteil der Lichtenberg Band, erarbeitet mit Drummer Günther Castanetti, Bassist Martin Mitterstieler und Franz Reisecker selbst die Liveumsetzung der neuen Stücke, erstmals zu hören bei der Präsentation des neuen Albums am 9. Juni im Wiener Flex.
Das wunderbare an „Don´t Let Them Down“ ist, dass
es trotz oder gerade wegen der vielen unterschiedlichen Beiträge
anderer Musiker als Album funktioniert, sich die unterschiedlichen
menschlichen und musikalischen Stimmen zu einem stimmig fliessenden
Ganzen korrespondierender Sounds, Ideen und Emotionen fügen.
Man kann die Stücke konzentriert hören, dabei immer wieder
neue Facetten entdecken oder zu ihren manchmal eigenwilligen, manchmal
zwingenden Grooves mitswingen, vielleicht einem langgehegten,
vertrauten oder auch leicht absurden, jenseitigen Gedanken
nachhängend, den die Musik weiterträgt, vielleicht auf den
Kopf, vielleicht auf die Füße stellt. Das abschliessende
„The Road To Nowhere is a Place To Be“ – ja, da
wollen wir rauf auf diese Strasse! – kommt nach 39 Minuten
erstklassiger, vielschichtiger Musik eindeutig zu früh, man
würde und wird (es heisst „Repeat-Taste“!) gern noch
mehr Lichtenberg hören.
Rainer Krispel, April 2007
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