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Sandy Lopicic Orkestar: Border Confusion

 A l b u m   D e t a i l s


Label: WorldNetwork Records
Released: 2001.04.05
Time:
57:23
Category: Folk
Producer(s): Sandy Lopicic
Rating: ******.... (6/10)
Media type: CD
Web address: www.lopicic.com
Appears with:
Purchase date: 2001.05.18
Price in €: 1,99



 S o n g s ,   T r a c k s


[1] Da zna zora - 3:35
[2] Jane Sandanski - 3:57
[3] Djelem Djelem - 6:48
[4] Apo hapi syte - 5:46
[6] Ljuba - 8:12
[7] Fanfare - 4:28
[8] Usty, usti babo - 5:13
[9] U stambolu na Bosforu - 5:01
[10] Last-I - 5:46
[11] Last-II - 2:07
[12] Kales bre Andjo - 4:45
[13] Le Rindovani - 5:09
[14] Martesa - 4:20

 A r t i s t s ,   P e r s o n n e l


SANDY LOPICIC - Keys, Direction
IRINA KARAMARKOVIC - Vocal
NATAŠA MIRKOVIC - Vocal
VESNA PETKOVIC - Vocal
BOJAN PETROVIC - Trumpet
IMRE BOZOKI - Trumpet
MARTIN HARMS - Saxophone
RICHARD WINKLER - Saxophone
MICHAEL BERGBAUR - trombone, tuba
LOTHAR LÄSSER - Accordeon [deishovida]
KURT BAUER - Violine [deishovida]
MATTHIAS LOIBNER - Hurdy-gurdy [deishovida]
SAŠA PROLIC - Bass [deishovida]
JÖRG MIKULA - drums

CHIRSTIAN SCHOLZE - Executive Producer, Digitally Remastering
JEAN TROUILET - Executive Producer
RADU MARINESCU - Mixing, Digitally Remastering
KLAUS WEDDING - Photography
FRANZ AUMÜLLER - Graphics
ROLAND KOPP - Graphics

 C o m m e n t s ,   N o t e s


After the recordings in January 2001 in Bielefeld [Germany] the album "border confusion" of the Sandy Lopicic Orkestar was released on the 15th of April 2001 by WorldNetwork, Frankfurt /M [www.networkmedien.de].



S.L.O. history

The Sandy Lopicic Orkestar consists of 15 musicians from different middle and south-east european countries and began its existence during a theatre performance in "Grazer Schauspielhaus" [Graz City Theater] - "The Black Rider - The Casting of the Magic Bullets" ["...at this moment definitely the most interesting theater orchestra in Austria", Frido Kuettner, Kleine Zeitung, A] "The Black Rider" theater play had certain thematic allusions to the war in Bosnia, so the music of Tom Waits was combined with traditional music from all over the Balkans. After the last performance, the musicians decided to continoue working together. Later the Austrian band deishovida, one of the most innovative bands in putting together different styles of the worlds musical traditions to their own, joined the orchestra.

Whats keeping this orchestra together is love for music from the former Yugoslavia, and the main idea is to show people how rich the cultural heritage of the Balkans is - and also, that the Balkan people were and are not only bunch of lunatics and maniacs killing and massacring each other, but that all those people used to live, love and create beautyful music together.

The Orchestra plays Bulgarian, Gypsy/Roma, Macedonian, Serbian, Albanian, Bosnian and Montenegrin songs - their music passes through the filters of their own individual influences and imagination [the orchestra consists of mostly classical and jazz professional musicians] and sophisticated arrangements.

Their music is a soundtrack for an imaginary movie, a history of love, joy and fire of passion.


In den elegischen Liedern und wilden Stücken des Sandy Lopicic Orkestars erscheint die multikulturelle Vielfalt des Balkans in neuem Lichte.

Unter Leitung des Pianisten und Arrangeurs Sandy Lopicic hat sich eine Grenzen sprengende, fünfzehnköpfige, undogmatische Bigband zusammengefunden.

Spektakulär allein schon die Besetzung: Die drei fantastischen Sängerinnen aus Bosnien, Serbien und dem Kosovo harmonieren perfekt und behalten dabei ihre Individualität. Zu den drei Nachtigallen gesellt sich ein durchgedrehter Haufen aus einem fünfstimmigen Bläsersatz, Piano, Bass, Schlagzeug, Akkordeon, Violine und Drehleier. "Fulminant, schlichtweg mitreißend" titeln die Salzburger Nachrichten.

Manche mag das an Goran Bregovic oder Emir Kustiricas No Smoking Orchestra erinnern, wir aber würden jederzeit die ausgefeilten, virtuos eingespielten Arrangements und seelenvoll intonierten Lieder des Sandy Lopicic Orkestars den beiden Berühmtheiten voranstellen.

www.networkmedien.de



Sandy Lopicic Orkestar Vergessen Sie den maßlos überschätzten Goran Bregovic! Es gibt Besseres. Sandy Lopicic und sein Orkestar sind vielleicht (noch) nicht so bekannt, ein Vertrag mit dem renommierten World-Music-Label Network könnte das aber bald ändern.

Milosevic ist abgetreten. In beinahe allen Teilrepubliken herrscht Demokratie, zumindest das, was sich die davon Betroffenen und der Westen darunter vorstellen möchten. Der westlich-europäische Wertekatalog, sprich die Deutsche Mark, hat den Balkan erobert. Sandy Lopicic aus Bosnien indes erobert mit seinem „Orkestar“ Europa.

Die steirische Hauptstadt Graz – schon zu Kaisers Zeiten scherzhaft als Pensionistenheim Österreichs bezeichnet – zieht durch seine Musikhochschulen junges Blut an, Talente aus aller Welt, nicht wenige aus den Republiken des zerfallenen Jugoslawien. Das Sandy Lopicic Orkestar ist das Produkt einer besonders ungewöhnlichen, deshalb aber umso fruchtbareren Fusion. Da wäre einmal das steirische Experimentalfolkquintett Deishovida, eine Band, deren musikalische Qualität sich nicht allein aus der Virtuosität ihrer Mitglieder erklären läßt, sondern aus dem Umstand, daß sie sich jeder vordergründigen Genrezuteilung geschickt entziehen konnte und Bordunfolk (also traditionell beeinflußte Musik mit Dudelsack/Drehleiersounds) mit Funk, Jazz, Dancefloor, Noise und Swing legierte. Dabei holten sich Deishovida immer wieder Melodien aus dem südlichen Balkanraum ins Repertoire. Der zweite Teil des Ensembles besteht zu einem Großteil aus dem Theaterorchester der „Black-Rider“-Aufführung (Tom Waits’ Adaption von Webers „Freischütz“) im Grazer Schauspielhaus, deren musikalischer Leiter der Arrangeur und Pianist Sandy Lopicic war.

Sandy stammt aus Bosnien, wuchs in Deutschland auf, lebte aber lange Zeit in Sarajewo. Aus dem multikulturellen Pool, den die Grazer Theater- und Musikerszene darstellt, stampfte Sandy Lopicic ein flamboyantes Balkanorchester aus dem Boden, dessen Mitglieder – größtenteils StudentInnenund AbsolventInnen der Musikhochschule Graz – aus Bosnien, Serbien, Slowenien, dem Kosovo, Deutschland und Österreich stammen. Entstanden ist eine Musik, die Herz, Bauch, Beine und Hirn gleichermaßen in Bewegung versetzt und traditionelle Musik geschickt der Folklore entwendet.

Mit dem Einzug der Filme Emir Kusturicas in die Videotheken der „westlichen“ Kulturgourmets traten plötzlich auch Musikformen ins öffentliche Bewußtsein, deren Herkunftsregionen man bislang nur mit barbarischen Stammeskriegen und preisgünstigen Putzfrauen assoziiert hatte. So passierte es auf einmal immer öfter, daß die Kulturgourmets Goran-Bregovic-Soundtracks in den CD-Player schoben, wenn ihre Putzfrauen gerade die Cabernet-Sauvignon-Flecken des Vorabends vom indischen Speisetisch wischten – sentimentale Gesten der Anerkennung und der kulturellen Libido, welche freilich nichts am niedrigen Stundenlohn änderten. Dieses neue überbordende Balkan/Roma-Lebensgefühl wurde vor allem durch die Tradition der Romabrassbands transportiert, welche der findige Rockstar Goran Bregovic besonders in die Filmmusik von „Underground“ einzubauen wußte. Regionale Zentren dieser fulminanten und lebendigen Tradition finden sich in der nordostserbischen Vlaska Krajina, in Cavak sowie in den südserbischen Städten Leskovac und Vranje. Aus der Gegend von Vranje kommt das Brassorchester von Jova Stojiljkovic, auf das Bregovic immer wieder zurückgriff. Der „Kusturica/Bregovic“-Effekt führte es mit sich, daß westliche Veranstalter und Manager den Marktwert weitaus gediegenerer Ensembles, wie das mazedonische Kocani Orkestar oder die rumänische Fanfare Ciocarlia, mit dem Etikettenschwindel „The Music of Underground“ zu heben versuchten und diese Kapellen damit doch nur unter ihrem Wert verkauften.

Sandy Lopicic und seine Leute gehen einige bedeutende Schritte weiter. Ihr Sound bedient zwar den Wiedererkennungseffekt der Romabrassmusik, sprengt jedoch den Rahmen reiner Folklore durch das Outfit einer zeit- und ortlosen Big-Band, die Trompete, Tuba und Posaune durch heiße Saxophongrooves ergänzt und mit Jazz- und Funkakzenten nicht nur die obligatorischen serbisch-bosnischen Kolos, Coceks, Sa-Sas auffettet, sondern ihren musikalischen Fokus auf den gesamten Balkanraum ausdehnt. Ihre Ausbildung in Jazz und Klassik, verbunden mit einer bedingungslosen Liebe zu den musikalischen Traditionen des Balkans, ließ die 15 Musiker eine facettenreiche und wuchtige Musik kreieren, die eine ethnische Tradition keinesfalls bloß jazzig nachempfindet, sondern musikalisches Wissen in deren traditionellen Kern einschmilzt, auf daß etwas Neues entsteht, das man weder in Ex-Jugoslawien noch in Österreich oder sonstwo je zuvor gehört hat. Ohne Jugo-Nostalgia, mit Gegenwartssinn und modernen Mitteln setzen sie fort, was das durch Nationalismus Getrennte einst verband. Das Sandy Lopicic Orkestar ist somit weder eine von marktgeilen Musikstudenten imitierte Jugobrassband, die den Bregoviceffekt nutzen will, noch ein speziell auf „westliche“ Hörgewohnheiten (whatever that means) hingestyltes Ethno-Kunstensemble, wie frenetisch bejubelte Konzerte in Maribor und Sarajewo bezeugen. Das „Orkestar“ kriecht vor überhaupt keinen Gewohnheiten und Erwartungen zu Kreuze, sondern tut, was ihm gefällt, was es für richtig hält; ein radikaler Weg, der sich auf Dauer zweifellos bezahlt machen wird. Das Label Network, bekannt für seine luxuriösen CD-Editionen von Zigeunermusik und Musik des Balkanraumes, Griechenlands und des Orients, hat die künstlerische Größe dieses Ensembles erkannt und wird noch diesen Frühling die erste CD auf den Markt bringen.

Allein die künstlerische Vielseitigkeit der drei Sängerinnen gibt en miniature ein repräsentatives Bild von dem Talenteüberschuß, der da im gesamten „Orkestar“ brodelt und noch auf viele kreative Projekte hoffen macht: Natasa Mirkovic-DeRo aus Bosnien zum Beispiel studierte neben klassischem Gesang auch Ethnomusikologie und ist Musicaldarstellerin, ebenso wie Vesna Petkovic aus Nis (Serbien), die stärker den Genres Rock und Jazz zuneigt. Irina Karamarkovic kommt aus dem Kosovo. Sie ist nicht nur eine Underground- und Alternative-Rock-Sängerin, sondern auch Schriftstellerin, Anthropologin, Schauspielerin und engagierte Friedensaktivistin. Alle drei, die mit Vorliebe die besonders zum Soul neigenden Romalieder zum besten geben, bringen eine stimmliche Ausdruckskraft und Reife in die Band, die an ihrem jugendlichen Alter zweifeln läßt (das Durchschnittsalter aller Orkestar-Mitglieder liegt unter 25 Jahren!).
Der sich im Gegensatz zu seinem US-amerikanischen Pendant Ry Cooder unablässig in den Vordergrund drängende Goran Bregovic hat mit seiner etwas unmotivierten Balkan-Fusion zumindest einmal die Ohren eines außerjugoslawischen Publikums für einige der unzähligen musikalischen Formen der Region geöffnet (die in Serbien etwa von der Mode des Turbofolk verdrängt zu werden drohen, einer ziemlich brachialen Form des Mainstream mit starken Anklängen an türkischen Synthesizerpop). Bregovic hat seine Schuldigkeit getan, das Publikum ist sensibilisiert für die Musik, es schätzt den Drive und die emotionale Tiefe, man kann ihm also allmählich ein höheres Niveau der Darbietung zumuten. Das Sandy Lopicic Orkestar steht Ihnen zu Diensten.


CONCERTO sprach mit Natasa Mirkovic, Vesna Petkovic, Irina Karamarkovic und Sandy Lopicic über ihre Liebe zur traditionellen Musik, über Innovation und – über Goran Bregovic.

Was macht – eurer Meinung nach – die besondere Attraktivität der Musik des Balkans für westeuropäische Hörer aus?

Sandy: Es ist Musik, die ehrlich und pur rüberkommt. Eine Musik, die sehr, sehr lange existiert – und von Generation zu Generation weitergegeben wurde ...
Natasa: Ich glaube, was sie so anziehend macht, ist, daß sie hier nicht Alltag ist. Eine sehr melodische und rhythmische Musik, die mit sehr viel Feuer gespielt wird.
Vesna: Sie spiegelt unser Temperament wider: warmherzig, impulsiv, aber auch wild.
Irina: Ich habe da eine andere Theorie. Wir hatten zehn Jahre Krieg in Jugoslawien. Das lenkte sicher die Aufmerksamkeit auf unsere Kultur. Doch so wie hier gibt es in Jugoslawien sehr kommerzielle Musik. Wir greifen auf kommerzielle Musik zurück, arrangieren sie und unterlegen sie manchmal mit Funk- und Jazz-Grooves. Das ist für die Leute hier möglicherweise ungewohnt und daher interessant.
Natasa: Wir gaben Konzerte in Polen. Musik des Balkans ist dort nicht sehr populär. Vielleicht ist das in Österreich anders, weil es dem Balkan näher liegt.
Vesna: In Wien verglichen viele unsere Musik mit Latin. Das finde ich nicht unbedingt, aber die Leute haben eben diese Assoziationen.
Sandy: Ich verwehre mich gegen die Vorstellung, daß diese Musik eine vorübergehende Popularität bloß durch den Krieg oder die Filme Emir Kusturicas und die Soundtracks Goran Bregovics erhielt. Das waren nur die Auslöser, daß sie im Westen größere Aufmerksamkeit auf sich zog.
Irina: Nun, wir haben alle verschiedene Meinungen – Gott sei Dank, aber ich möchte noch hinzufügen, daß die Leute, die zu unseren Konzerten kommen, sich damit auch zu einer bestimmten Form der kulturellen und politischen Offenheit bekennen, zu Antirassismus, gegen Xenophobie.
Sandy: Noch eine Theorie. Das ist zumindest meine Meinung. Ich bin seit Jahren auf der Suche nach einer Musik, die die Menschen direkt berührt. Nicht auf Umwegen, durch produktionelle Spezialeffekte oder Überarrangement, sondern so, wie sie die Menschen über Generationen, Jahrhunderte bewegt hat.

Aber das Faszinierende an eurem Sound, eurer Herangehensweise ist doch, daß ihr eure Musik nicht rein traditionell oder folkloristisch interpretiert, sondern auf eine neue Weise, daß ihr sie sehr wohl neu arrangiert und eine Fusion sucht.

Sandy: Ja, sie ist schon allein deshalb etwas Neues, weil fünfzig Prozent der Musiker in unserer Band Österreicher sind. Die bringen natürlich durch eine andere Hörweise, durch ihr anderes Empfinden dieser Musik auch andere Spielweisen und Zugänge in den Bandsound. Wir nehmen großes Interesse daran, jeden Musiker Einfluß ausüben zu lassen.
Natürlich haben wir einen neuen Zugang, indem wir Arrangements nach unserem Geschmack gestalten. Wir versehen die Themen mitunter auch mit einer völlig neuen harmonischen Struktur.
Natasa: Ich finde es interessant und schön, daß es so viele Österreicher in der Band gibt. Ich bin mit dieser Musik aufgewachsen und höre sie unten in ein, zwei Varianten, aber nicht in fünfzehn. Da kommt zum Beispiel Matthias, unser Drehleierspieler, und bringt ganz neue Ideen ein, was ich sehr inspirierend finde.
Irina: Es gibt noch ein Charakteristikum. Wir bemühen uns um ein gemischtes Repertoire. Du wirst heute bei keiner jugoslawischen Band ein serbisches und ein albanisches Lied zusammen hören. Es ist ganz bedeutsam für uns, die ethnischen Grenzen einzureißen.
Vesna: Sobald wir diese Grenzen sprengen, vergessen die Leute, daß wir im Krieg waren oder sind. Jeder ist bereit, ob Kroate, Serbe, Albaner, zu einem transnationalen Fühlen zurückzukehren, wie es früher einmal existiert hatte.
Natasa: Daß sich traditionelle Musik am Balkan immer wieder vermischt hat, das verdanken wir den Zigeunern, die von überall alles aufsaugten und popularisierten. In Bosnien, das oft als Jugoslawien in Miniatur bezeichnet wurde, hat man die Folklore der anderen Teilrepubliken sehr gepflegt. Ich bin ein bißchen nostalgisch; das alles gehört zu einer Vergangenheit, die hoffentlich wieder eine Zukunft haben wird. Und es freut mich, daß diese Tendenz in der Gruppe weiterlebt. Das ist sehr spannend. Manchen mag das vielleicht nicht passen, uns ist das aber dann herzlich egal. Man hört nur noch von Kriegen und wie schlecht es den Menschen geht; Blut- und Horrorgeschichten. Auch die Menschen im Westen werden es begrüßen, den Balkan von seiner anderen Seite kennenzulernen, von seiner kulturellen und musikalischen Vielfalt.

Ihr spielt Tänze wie Kolo und Coceks, bosnische Liebeslieder und Romalieder; deckt sich euer Repertoire also nur mit dem ex-jugoslawischen Raum, oder macht ihr auch musikalische Ausflüge nach Bulgarien, Mazedonien und Rumänien?

Sandy: Unbedingt! Wir bestehen darauf, nicht als postjugoslawische Band gesehen zu werden, sondern wollen den gesamten Balkanraum abdecken. Und da gehören auch Lieder aus Albanien und Rumänien dazu. Wir interpretieren zum Beispiel ein Stück der Fanfare Ciocarlia ...
Vesna: ... aber auch russische Zigeunerlieder ...
Sandy: Man muß schon sagen, daß unsere spezifische Fusion von traditionellen Themen, Zigeunermusik, Funk, Jazz und Bigbandsound etwas Neues darstellt, das für unten eher unüblich ist.
Gab es eigentlich schon zuvor – in Jugoslawien – diese Fusion von Tradition und Funk- und Jazzelementen? Vesna: Das ist völlig neu.
Sandy: Was sich im Westen gut verkauft, das sind sehr authentische Dinge; rumänische Zigeunerbands und bulgarische Frauenchöre. Darin liegt der Unterschied zu uns. Wir sind eine sehr junge Band, die verschiedenste Einflüsse zusammenfließen läßt.
Natasa: Das ist unser wesentlicher Vorteil. Daß unsere Musiker von der Klassik und vom Jazz kommen und trotzdem eine besondere Sensibilität für traditionelle Musik besitzen.

Wie kommt eure Musik in Ex-Jugoslawien an?
Sandy: Das hat uns sehr erstaunt. Mindestens doppelt so gut als hier. In Maribor packten die Leute plötzlich ihre Handys aus und begannen zu telephonieren, was uns zunächst sehr beunruhigte. In Wirklichkeit riefen die ihre Freunde an, um sie zum Konzert einzuladen. Die Krönung war unser Auftritt in Sarajewo. Interessanterweise kamen jene Stücke am stärksten an, die die stärksten Funk- und Jazzakzente aufwiesen. Die Leute applaudierten bei den verrücktesten Stellen, bei denen wir das eigentlich am wenigsten erwartet hätten.

Wie steht ihr denn zu Goran Bregovic? Hat er nicht nur zu einer Popularisierung, sondern auch zu einer Trivialisierung dieser Musik beigetragen?

Irina: Ich mag ihn auch nicht sehr. Aber man muß schon sagen: Er hat uns die Tür geöffnet. Leider kennen die Leute diese phantastische Kultur, die es schon Jahrhunderte vor Bregovic gab, nur über ihn, und das ist wirklich schade. Denn sein künstlerischer Zugang ist ein sehr kommerzieller.
Sandy: Ich nehme ihm eher übel, daß er seinen Namen unter traditionelle Nummern stellt.
Vesna: Man denkt sich dann, wow, ist dieser Bregovic doch vielseitig, ein Rockmusiker, der so schräge Nummern schreiben kann.
Natasa: Ich habe in Sarajewo sieben Jahre lang neben einer Zigeunersiedlung gelebt und auch an der musikalischen Kultur dieser Menschen teilgehabt. Plötzlich landete Bregovic mit einem ihrer Lieder einen Rockhit. Uns ist dieses Thema auch deshalb so wichtig, weil wir alle Profimusiker sind. Wir haben auch Schulen dafür besucht. Ich habe Ethnomusikologie studiert. Bregovic klaut Ideen. Würde er ihre Herkunft ausweisen, wäre das in Ordnung, aber das tut er nicht. Ich kann auch nicht einfach ein Programm von Microsoft stehlen und als meines verkaufen. In der Musik funktioniert das leider.
Sandy: Hand aufs Herz. Es wurden uns durch ihn viele Türen geöffnet. Wir sind so frei und nützen diesen Vorteil.

Ihr habt immerhin die Möglichkeit, das Publikum umzuerziehen.

Sandy: Das hoffen wir.

Ein Orchester mit 15 Leuten ist sehr kostenaufwendig. Ihr seid nun bei Network unter Vertrag, Wie stellt ihr euch die weitere Zukunft Eeures Ensembles vor?

Sandy: Nun, so wie die Sache jetzt steht, soll das Orkestar allen Musikern einen Hauptberuf bieten. Das Potential ist bereits zu dreißig bis vierzig Prozent ausgeschöpft, doch wir stehen erst am Anfang. Für uns ist es wirklich sehr ermutigend, daß wir mit so einem unausgeschöpften Potential schon so viel erreicht haben. So wie’s aussieht, fängt alles erst an. Dabei wollen wir uns nicht auf musikalische Projekte beschränken. Wir haben ein intellektuelles Potential in der Band, das sicher auch andere Bereiche erfassen wird. Irina zum Beispiel ...
Irina: ... Irina zum Beispiel hat ein Handicap. Sie hat keine blonden Haare. (Gelächter)
Natasa: Ja, aber so lange es uns Spaß macht und das Publikum uns haben will, färben wir die Haare nicht.
Sandy: Das Goran-Bregovic Orchester ist zum Beispiel gar keines. Es ist Goran Bregovic plus Orchester plus Musiker. Und das unterscheidet uns von ihm. Wir wollen nicht uns, sondern die Musik in Szene setzen und dabei eine dauerhafte Qualität in diese Musik bringen. Und das mit einer strikt demokratischen Bandpolitik. Das unterscheidet uns auch von dem Land, aus dem wir kommen, wo ständig von Demokratie geschwafelt wird; bei uns in der Band gibt es eine Demokratie, glaube ich zumindest.
Natasa: Ja, und die besteht darin, daß alles geschieht, was Sandy sagt. (Gelächter) Nun, manche Völker haben Jahrhunderte gebraucht, um zur Demokratie zu finden. Wir werden es auch noch schaffen.

Die Österreicher kannst du wohl nicht meinen damit.

Natasa: Nein. Die eh nicht. (Gelächter)
Sandy (apodiktisch): Es hat jeder bei uns mitzureden – leider. (Gelächter)


Bericht und Interview: Richard Schuberth
 

 L y r i c s


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 M P 3   S a m p l e s


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